Die Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten der MedUni Wien und die österreichische HNO-Gesellschaft trauern um em. o. Univ.Prof.Dr. Klaus Ehrenberger, der am 23. August 2024 im Alter von 86 Jahren verstorben ist. Ehrenberger hat die österreichische HNO-Heilkunde viele Jahre lang geprägt und war nicht nur ein herausragender Arzt und Forscher, sondern auch ein ausgezeichneter Lehrer.
Geboren in Wien und aufgewachsen in Graz, absolvierte Klaus Ehrenberger in Graz das Medizinstudium mit ausgezeichnetem Erfolg und wurde dann Assistent am Physiologischen Institut der Universität Graz. Sein ausgeprägtes wissenschaftliches Interesse führte ihn zu Prof. Keidel an das Institut für Physiologie und Biokybernetik der Universität Erlangen-Nürnberg. Ehrenberger beschäftigte sich mit zentralnervöser vibratorischer Informationsverarbeitung als Korrelat der Periodizitätsanalyse des Ohres.
Im Weiteren war er Stipendiat der International Brain Research Organisation der UNESCO am Hirnforschungsinstitut der Universität Zürich. An der Otorhinolaryngologischen Universitätsklinik in Zürich absolvierte er auch die Ausbildung zum Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. Dabei erwarb er ausgezeichnete chirurgische Kenntnisse und Fertigkeiten im gesamten HNO-Bereich, insbesondere in der Felsenbeinchirurgie. Zusätzlich hatte er einen Lehrauftrag für Neurophysiologie an der Universität in Konstanz (Deutschland).
Studienaufenthalte führten ihn an die HNO-Abteilung der Harvard University in Boston und an das Institut für Ohrphysiologie des Massachussetts Institut of Technology in Cambridge/USA. Im November 1972 kam er als Oberarzt an die II. Hals-Nasen-Ohrenklinik an der Universität Wien zu Prof. Burian. 1975 habilitierte er sich für das Fach Hals-Nasen-Ohrenheilkunde zum Thema „Klassifizierung und morphologische Zuordnung spontanaktiver Einheiten der lateralen Bogengangsampulle der Katze.“ Er absolvierte als Stipendiat der französischen Regierung die Ausbildung zum französischen Zusatz-Facharzt Cancerologie des Kopf-Halsbereiches am Institut Gustave-Roussy in Villejuif und an der Universität Paris.
1980 erhielt er den Berufstitel außerordentlicher Universitätsprofessor durch den Herrn Bundespräsidenten. 1983 wurde Klaus Ehrenberger zum ordentlichen Professor an der I.
Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten der Universität Wien, deren Leitung er anschließend übernahm. Er setzte seine wissenschaftliche Forschungstätigkeit fort und befasste sich sowohl tierexperimentell als auch klinisch-experimentell mit Neurotransmittern zur Behandlung von peripher-verstibulären Schwindelformen und Tinnitus. Überdies beschäftigte er sich mit der Wiederherstellungschirurgie nach malignen Kopf-Hals-Tumoren und entwickelte den sogenannte „Sprechsiphon nach Ehrenberger, eine chirurgische Methode zur Schluck- und Stimmrehabilitation nach totaler Kehlkopfentfernung mit Hilfe eines Dünndarminterponats.
Im Rahmen der neu geschaffenen universitären Strukturen wurde Klaus Ehrenberger 1993 zum Leiter der Klinischen Abteilung für Allgemeine Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten an der Universitätsklinik für Hals-, Nasen und Ohrenkrankheiten bestellt und 1994 zum Klinikleiter gewählt. Seit 1987 war er auch Gastprofessor am Institut für Neurobiologie der Universität Bern (Prof. Dr. Felix).
Prof. Ehrenberger leitete mit großer Begeisterung, Umsicht, glasklarem Verstand, wissenschaftlicher Neugier, Interesse sowie Empathie “seine” Klinik und war seinen Mitarbeiter:innen ein großes fachliches und menschliches Vorbild. Er forderte und förderte seine Mitarbeiter:innen sowohl in Klinik, Forschung und Lehre, wobei er das Arztsein nie vergaß und die ihm anvertrauten Patient:innen mit Kompetenz und Hingabe behandelte. Er erkannte Talente, unterstützte sie mit innovativen Ideen und begleitete deren berufliche Entwicklung. Er hat den Teamgedanken gelebt und der nachkommenden Generation weitergegeben. Viele seiner Mitarbeiter:innen sind überaus erfolgreich und wurden Ordinarii oder Primarii. Er verstand es auch, in der persönlichen Diskussion mit Kolleg:innen rasch „wunde Punkte“ zu entdecken. Nicht zuletzt wird uns sein Humor in Erinnerung bleiben, der in vielen Situationen hilfreich war und Konfliktsituationen entschärfte.
Prof. Klaus Ehrenberger verfasste zahlreiche wissenschaftliche Publikationen, wobei deren Fokus die Physiologie und Pathophysiologie des Gehörs und der räumlichen Orientierung, die Rezeptorpharmakologie des Innenohres und der Gleichgewichtsorgane, die Tumorimmunologie und funktionserhaltende und funktionswiederherstellende Kopf-Halschirurgie war. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen wissenschaftlicher Gesellschaften, u.a. war er Ehrenmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie. Zudem war er außerordentliches Mitglied des Obersten Sanitätsrats.
Neben seinem medizinischen Interesse galt seine Liebe der bildenden Kunst, aber auch der Musik, Literatur, Natur oder Philosophie. Man konnte mit ihm pointierte und erhellende Diskussionen führen. Nach seiner Emeritierung 2006 verschrieb er sich seiner Leidenschaft für Malerei. Ausstellungen seiner Bilder, z.B. im Künstlerhaus, zeigten sein außergewöhnliches künstlerisches Talent. Nicht zuletzt war Klaus Ehrenberger ein Familienmensch, dem seine Ehefrau und seine Töchter außerordentlich viel bedeuteten.
Wir verlieren mit Klaus Ehrenberger ein herausragendes Vorbild, einen innovativen Forscher, ausgezeichneten Kliniker, Mentor und Lehrer, alles in allem einen weisen hochgeschätzten Menschen, der immer dem Neuen aufgeschlossen blieb. Wir werden ihn sehr vermissen, aber in lebendiger und dankbarer Erinnerung behalten. R.I.P.
Univ.Prof.Dr. Wolfgang Gstöttner,
ao.Univ.Prof.Dr. Doris-Maria Denk-Linnert,
im Namen des Vorstandes der HNO-Gesellschaft